Mit Spritze, Blaulicht und Mullbinde Ängste abbauen

Ein Kind sitzt hinter dem Lenkrad eines Rettungswagens. Zwei junge Menschen in Rettungsdienstkleidung erklären dem Kind, was es dort sieht. Das ist Teil eines Ausbildungsprojektes für angehende Notfallsanitäter.

Der Helm rutscht und die dunkelblaue Jacke mit den knall-orangefarbenen Streifen schleift fast über das Pflaster. Doch die Kindergesichter strahlen voller Freude. So, als ob Weihnachten, Ostern und Geburtstag am selben Tag wären. Doch es sind weder Weihnachtsmann noch Osterhase, die für die Begeisterung sorgen. Es ist der Rettungswagen mit Blaulicht und Sirene und die Einsatzkleidung des Rettungsdienstes, mit denen die Kinder auf Tuchfühlung gehen dürfen. 

Dafür haben zwölf angehende Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter des Bildungszentrums "Crux Alba" gesorgt. Zwei Tage lang haben die Azubis ihr Kita-Projekt vorbereitet und sich überlegt: "Wie können wir den Kindern die Angst vor dem Rettungsdienst nehmen? Was können die Mädchen und Jungen ausprobieren, um Berührungsängste abzubauen?" Der Rettungswagen, natürlich, ist immer ein Publikumsmagnet. Beinahe noch mehr Spaß macht es allerdings, sich gegenseitige in lustige Beinahe-Mumien zu verwandeln. Kistenweise Verbandsmaterial haben die Azubis des "Crux Alba" mit in die Magdeburger Kita gebracht. Mullkompressen werden unter Haarnetzen auf dem Kopf befestigt. Meterweise Mullbinden werden um Knie, Beine und manchmal sogar um den Kopf herumgewickelt. Bei dem fröhlichen Lärm müssen die beiden Azubis, die je eine der sechs Kindergruppen betreuen, erst einmal lernen, sich etwas Gehör zu verschaffen. 

"Bloß gut, dass Erzieher dabei sind. Das hilft uns", sagt Emma Borghardt. Obwohl die 22-Jährige bereits 50 Stunden Praxiserfahrung auf einer pädiatrischen Intensivstation gesammelt hat, ist der Umgang mit einer quirligen Gruppe von 15 Kindern eine ganz andere Erfahrung. Doch genau darum geht es im Kita-Projekt: den Umgang mit kleinen Patienten üben, sie einschätzen lernen, ihr Verhalten zu beobachten, sich auf sie einzustellen und ihnen möglichst kindgerecht die Arbeit des Rettungsdienstes näher bringen. 

"Das Kita-Projekt ist Teil der Ausbildung im Themenblock Pädiatrie", erklärt Alexandra Stahlberg, stellvertretende Schulleiterin im "Crux Alba". "Hier lernen die jungen Kollegen Interaktion und Kommunikation mit Kindern auf praktische Weise." Gerade für Kollegen, die bislang wenig Erfahrungen mit Kindern gesammelt hätten, sei dieser Teil in der Ausbildung wichtig, bestätigt Emma Borghardt. Nicht zuletzt, weil Kinder ganz anders als Erwachsene reagieren. Und, weil so auf beiden Seiten Berührungsängste abgebaut werden können. 

Während die einen also lernen, sich auf potenzielle kleine Patienten einzustellen, sammeln die anderen spielerisch und unbewusst positive Erfahrungen mit den Rettungskräften. Und sie bauen Ängste ab, zum Beispiel vor Spritzen. Dafür haben sich die Azubis ein fröhliches Spiel ausgedacht, eine kleine Zielwand mit Rettungswagen, Blaulicht und Feuer bemalt und drücken den Jungen und Mädchen nun Spritzen in die Hände. Ohne Kanüle, versteht sich. Aus einer Schüssel dürfen die Kinder die Spritzen mit Wasser füllen und Zielübungen veranstalten. Und die Spritze am Ende als Geschenk behalten. 

Vor dem Rettungswagen ist unterdessen die Frage zu hören: "Wisst ihr denn, was das Blaulicht bedeutet?" "Dann müssen alle Autos zur Seite gehen", sagt ein kleiner Junge etwas schüchtern und hört prompt: "Richtig!" Und dann erzählen die beiden Azubis ihm und den anderen Kindern: "Aber nicht nur Autos müssen Platz machen. Auch Fahrradfahrer und Fußgänger müssen dann aufpassen und Platz machen. Damit die Patienten ganz schnell ins Krankenhaus gebracht werden können."

Doch die Azubis wollen den Kindern nicht nur beibringen, richtig auf den Rettungswagen zu reagieren. Eine andere Gruppe probiert gerade aus, wie ein Stethoskop funktioniert. Konzentriert hält ein Junge die beiden metallenen Ohrbügel fest, die Ohroliven in seine Ohren und versucht, etwas zu hören. Weil das am Kuscheltier wenig Effekt hat, drückt einer der Azubis die Stethoskop-Membran leicht gegen den Bauch des Jungen, während die anderen Kinder der Gruppe ganz still und gespannt beobachten, was da passiert. 

Die etwas älteren Kita-Kinder üben derweil den Notruf. Erst die 112 wählen, dann zuhören. Und dann sagen, was passiert ist ...

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