Nach den Sommerferien ist wieder Leben auf den Fluren der Sekundarschule „Am Fliederweg“ in Halle. Nach einer langen Zwangspause und Homeschooling aufgrund der Corona-Pandemie ist Maha Hussein nun auch endlich angekommen, an ihrem „neuen“ Arbeitsplatz. Seit Februar ist die 38-Jährige dort als pädagogische Fachkraft im Rahmen des bundesweiten Pilotprojektes „Schule, Migration und Teilhabe“ des Malteser Hilfsdienstes tätig. Das Projekt soll die Bildungschancen für Kinder und Jugendliche direkt vor Ort an den Schulen verbessern.
„Es geht nicht darum ihnen die Antworten zu geben. Ich möchte ihnen helfen selbst die Lösungen zu finden.“
Die Schule weist einen hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund auf. Hier ist Maha Hussein ein echter Gewinn. Auch für die gebürtige Irakerin ist der neue Job ein Glücksgriff. Aufgewachsen zwischen dem Irak und dem Libanon, studierte Maha Hussein an der Universität in Bagdad Chemie und arbeitete mehrere Jahre als Chemielehrerin im Libanon. Aktuell lebt sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Leipzig. „Als ich vor zehn Jahren nach Deutschland kam, erfuhr ich am eigenen Leib, wie schwierig es ist, sich aufgrund der Sprachbarrieren zurechtzufinden.“ Schnell ist klar, dass sie in ihrer neuen Heimat Familien mit Migrationshintergrund unterstützen möchte. Sie macht in Leipzig eine Weiterbildung zur Sprach- und Integrationsmittlerin, Traumapädagogin und Gesundheitslotsin, arbeitet parallel haupt- und ehrenamtlich in einem interkulturellen Frauen- und Begegnungszentrum sowie in einem Vorschulprogramm für zugewanderte Eltern. Ihr beruflicher Hintergrund als Lehrerin und Pädagogin sowie ihre persönlichen Erfahrungen als Zugwanderte und Mutter, helfen ihr fachlich und menschlich Zugang zu den Schülerinnen und Schülern und deren Eltern zu finden. „Ich fühle wie die Eltern und Kinder, weil ich selbst Mutter bin und ich verstehe die Lehrkräfte an den Schulen, weil ich selbst Lehrerin bin.“ Sie hilft individuell oder in Kleingruppen direkt im oder außerhalb des Unterrichts bei Verständnisfragen oder Sprachproblemen. „Es geht nicht darum ihnen die Antworten zu geben. Ich möchte ihnen helfen selbst die Lösungen zu finden“, sagt Maha Hussein. Wenn es keine konkreten schulischen Probleme gibt, spricht sie mit den Kindern und Jugendlichen über ihre Zukunft, die Notwendigkeit eines Abschlusses, deren Ziele und Wünsche.
Aktuell begleitet Maha Hussein beispielsweise eine Schülerin, die Ingenieurin werden will. „Sie erinnert mich an mich selbst. Gemeinsam suchen wir nach Möglichkeiten eine passende Ausbildung für sie zu finden“, erzählt Maha Hussein. Auch für die Eltern ist sie Ansprechpartnerin bei schulischen Fragen, Erziehungsthemen oder Unklarheiten im Behördenjungle. „Letztlich geht es nicht nur darum Hausaufgaben zu kontrollieren. Wir müssen den Kindern und Jugendlichen Perspektiven aufzeigen, Aufmerksamkeit und Vertrauen schenken und sie auf ihrem Weg unterstützen. Dazu gehört auch die Kompetenzen der Eltern und des Schulpersonals zu stärken. Daher benötigen wir viel mehr kompetentes Personal mit Migrationshintergrund an unseren Schulen“, plädiert Maha Hussein. Das Miteinander und die Kommunikation haben sich schon jetzt merklich verbessert. Wie sich die schulischen Leistungen entwickeln werden, bleibt abzuwarten. „Ich liebe meine Arbeit. Auch wenn ich am Ende eines Arbeitstages erschöpft bin, freue ich mich über die vielen Begegnungen und kleinen Erfolge.“
Das Pilotprojekt „Schule, Migration und Teilhabe“ wird seit Juli 2019 vom Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) gefördert und zusätzlich an drei weiteren Standorten in Essen, Geseke und Leipzig umgesetzt. Auch hier wurden jeweils zwei Projektschulen ausgewählt, an denen zwei Mitarbeitende die Kinder und Jugendlichen unterstützen.
Bei inhaltlichen Fragen: Melanie Wötzel, Projektkoordinatorin „Schule, Migration und Teilhabe“, Malteser Hilfsdienst gGmbH in Halle; Melanie.Woetzel@malteser.org